Die klassischen Medien werden durch das Internet vor existentielle Herausforderungen gestellt. Sie reagieren darauf auf höchst unterschiedliche Art und Weise. Der prominenteste und vielleicht traurigste Fall ist die Musikindustrie, die auf die umfassende Digitalisierung mit strategischem Versagen und Schuldzuweisungen bis hin zur Kriminalisierung ihrer Kunden reagiert, obwohl sie das Internet als traumhaften Vertriebskanal, als Marketingtool und vieles mehr nutzen könnten.
Für andere, den Brockhaus-Verlag zum Beispiel, ist die Situation viel ernster. Was kann man Wikipedia entgegensetzen? Nichts. Das Web 2.0, der User Generated Content, ist eine viel ernsthaftere Bedrohung als die Digitalisierung. Die Demokratisierung der Inhalte zerstört klassische Geschäftsmodelle schneller, als neue entstehen.
Wie reagiert das Radio auf die neuen Herausforderung? Dies war das Thema einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung am Starnberger See mit dem Titel "Radio 2010: Am Ende? Oder ganz neu da?". Die Veranstalter schreiben:
[...] das Radiogerät schalten dazu immer weniger Menschen an. Der informative und unterhaltende Beitrag auf Abruf kommt in Mode – Podcasts und auch Hörbücher boomen. In dieser Zeit, in der schicke digitale Sendeformen die alten analogen zunehmend verdrängen, sind neue Radiokonzepte gefordert. Sie müssen sich auf den bisherigen und den neuen Verbreitungswegen behaupten: via Internet und digitaler Sendestrecke ins Radiogerät, aufs Mobiltelefon oder den Computer. Für die Hörerbindung reichen Gewinnspiele und Call-ins allerdings nicht mehr aus. Mehr denn je ist der Mut, die Kreativität und die Aufrichtigkeit der Radiomacher gefordert. Wie wäre es, die Hörer wieder ernst zu nehmen?
Für den Abschlußvortrag der Tagung haben sich die Veranstalter überlegt, eine leibhaftige Inkarnation der Bedrohung des Radios durch das Internet einzuladen. Mich. Ich wurde auf dem Podium vorgestellt - und ich hoffe wirklich, mit einem Augenzwinkern - "hier ist er, unser Konkurrent".
Es war für mich außerordentlich interessant (mein Hintergrund ist Internet und Telekommunikation, nicht Radio!) die Diskussionen und Einschätzungen der Radioprofis zu hören. Es werden im wesentlichen zwei Ansätze vertreten, auf die neuen Herausforderungen zu reagieren: Der erste Ansatz propagiert den eigenen Aufbau von cross-medialen Angeboten, also Websites mit allem Drum-und-Dran, Chats, Foren, Blogs, natürlich Livestreams und Playlists, dazu Videos von Musikern oder Aufnahmen der lokalen Reportern, die dann in den Sendung "angeteasert" werden. Der zweite Ansatz fordert, wie in dem obigen Zitat anklingt, eine Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen, Fokussierung auf die Hörerbindung und die Stärken des Radios, insbesondere den Live-Aspekt.
Ich glaube, daß der zweite Ansatz der richtige ist. Gutes und professionelles Radio wird immer Hörer finden. Es ist nicht ersetzbar, und auch nicht kopierbar. Cross-mediale Angebote dagegen, da steht das Radio in einem Wettbewerb mit den Googles, RTLs, Telecoms dieser Welt und kann nicht gewinnen. Dies habe ich versucht, in meinem Vortrag auf der Tagung zu vermitteln, und war sehr froh, daß meine Sicht auf offene Ohren und Interesse gestoßen ist. Und was 1000MIKES betrifft - wir sind keine Bedrohung für das Radio, sondern eine Ergänzung und Chance.
Update: Lesenswerte Zusammenfassung der Tagung auf Hörfunker.de.