Ein Buch ist ein lineares Medium: es wird von vorne nach hinten gelesen. Im Normalfall
zumindest. Internet ist ein nicht-lineares Medium: jede Seite enthält eine beliebige
Anzahl von Links, die man einen nach dem anderen oder gleichzeitig oder auch gar nicht
weiterverfolgen kann. Im Fachjargon als Hypertext bezeichnet.
Im Fernsehen und im Radio ist die Linearität noch stärker ausgeprägt. Von null bis 24 Uhr
reiht sich Sendung an Sendung; ohne Pause schließen Musik, Moderation und Werbung nahtlos
aneinander an.
Das war nicht immer so: in den Anfangszeiten des Medium gab es nur ein event-orientiertes Abendprogramm, live eingespielt. So brachte der deutsche Weltrundfunksender am 1. April 1933 ab 19:00 ein Militärkonzert, gefolgt von den 15-minütigen Tagesnachrichten um 20:00, anschließend erzählte Wolfgang von Gronau über seine Weltumrundung mit dem Wasserflugzeug, und bis 21:00 gab es abschließend Studentenlieder. Danach Funkstille.
Das heutige, linear 24-Stunden-Programm ist entstanden durch die begrenzte Verfügbarkeit
von Radiofrequenzen. Diese Frequenzen werden durch die Landesmedienanstalten vergeben
(und man kann sie auch wieder verlieren, wie es Radio Energy gerade in der Schweiz
passiert ist).
Der glückliche Besitzer der knappen Ressource Radiofrequenz nutzt aus ökonomischen
Gründen mit seinem Kanal jede freie Sekunde Airtime, wobei die meisten Hörer sich
vormittags zuschalten, und abends, bedingt durch die TV-Konkurrenz, die Quoten wieder in
die Knie gehen. Das ist die Realität des UKW-Radios heute.
Im Internet dagegen gibt es keine Limitierung der Anzahl Frequenzen. Was bedeutet das? Es
gibt keinen ökonomischen Grund mehr, auf Dauersendung zu gehen. Nehmen wir als Beispiel
ein Sportradio. Es gibt wenig Anlaß, Montag Nacht ein Sportprogramm zu machen. Während
der olympischen Spiele jedoch lassen sich ohne Probleme viele Kanäle parallel mit
spannenden Berichten bespielen.
Das bedeutet: durch das Internet wird die lineare Struktur des Radios Stück für Stück verlorengehen, genauso wie die Texte im Internet schon lange nicht mehr linear organisiert sind. Der kontinuierliche Fluß wird aufgelöst in ein variables Hintereinander und Nebeneinander: das Radio im Internet wird nicht-linear.
Unsere Hörgewohnheiten heute sind natürlich noch ganz andere. Wir schalten unseren Stammsender an und lassen uns berieseln, und wenn er uns nervt, suchen wir einen anderen. Aber Gewohnheiten können sich ändern. Das Radio-Konsumverhalten der mit dem Internet aufgewachsene Generation wird sich schnell an nicht-lineare Muster anpassen können.
Wie orientiert der Hörer sich in einer Radiowelt, die nicht mehr linear in einer
begrenzten Anzahl von Kanälen organisiert ist? Die klassische Programmzeitschrift taugt
dazu nicht mehr. Diese Orientierung zu bieten, ist eine große Herausforderung. Ansätze dazu sind hypertext-basierte Programmführer, Verschlagwortung,
Nutzerempfehlungen und -bewertungen, Ranglisten, Archive und vieles mehr. Gute Lösungen für die Navigation durch den Programmdschungel werden das entscheidende Kriterium für die Attraktivität des Radios der Zukunft im Internet sein.
Fortsetzung folgt.